Schmetterlingskunde für Anfänger – Körperpflege bei Schmetterlingen

Auch Schmetterlinge müssen sich gelegentlich putzen. In der Natur kommt man schließlich mit allerlei Staub, Härchen, Fasern, Pollen und dergleichen in Kontakt. Das ist an den meisten Körperteilen nicht so schlimm, aber die Fühler und die Augen müssen möglichst sauber bleiben.

Bei den Nymphaliden und Riodiniden hat die Putzmanie solche Formen angenommen, daß ihre Vorfahren im Verlauf der Evolution auf ein Beinpaar fürs Sitzen verzichtet haben: Ihre Vorderbeine sind zu sogenannten „Putzpfoten“ umgebildet. Diese Putzpfoten werden scheibenwischerartig über die Augen geführt, um Staub, Härchen, Blütenstaub und anderes, was daran haften bleibt, zu entfernen. Man sieht diese Aktion selten und man muß sehr genau hinschauen. Ich bin nicht sicher, ob es überhaupt Videoaufnahmen davon gibt.
Beim sitzenden Distelfalter (Vanessa cardui) kann man die Putzpfoten erkennen (Pfeil):

Die Reduktion eines ganzen Beinpaars ist eine extreme Entwicklung. In den meisten Schmetterlingsfamilien hat sich eine andere Putzapparatur entwickelt. Hier sitzt auf der Innenseite der Vordertibia – also am Schienbein des vorderen Beinpaars – ein kleiner, länglicher Fortsatz namens Epiphyse, in der deutschsprachigen Literatur manchmal auch „Schienenblättchen“ genannt. Der kann abgespreizt werden und dient dann als Kamm, Schwamm und Wischer für die Falter.

Die Frühlingseulen (Kätzcheneulen) der Gattungen Orthosia und Anorthoa besuchen nachts die Blüten der Weidenkätzchen und besudeln sich oft sehr stark mit Pollen. Diese Orthosia cerasi zieht gerade den rechten Fühler durch die rechte Epiphyse.

Und hier sieht man die Epiphyse an der Innenseite des linken Schienbeins.


Knautien (Acker-Witwenblumen, Knautia arvensis) haben auffällig rosafarbene Pollen. Diese beiden Beilfleck-Widderchen (Zygaena loti) haben sich längere Zeit an den Knautien gelabt und das hat Spuren hinterlassen.

Nun muß geputzt werden. Zuerst werden die Augen mit den feinen Haaren auf der Innenseite der Vorderbeine abgewischt, wobei der Kopf hin und her gedreht wird.

Dann werden nacheinander die Fühler durch die Epiphysen gezogen.

Wenn nötig wird beides nochmal wiederholt, bis zumindest die Sinnesorgane von den Pollen gereinigt sind. An die am Körper haftenden Pollen kommen die Falter weniger gut heran. Die gehen vielleicht beim nächsten Flug ab.


Noch eine Zygaenenbeobachtung: Auf den ersten Blick ein gewöhnliches, bereits leicht geflogenes Exemplar von Zygaena lavandulae, das da in der mediterranen Macchia sitzt.

Nanu, warum fuchtelt das Tierchen so mit seinen Vorderbeinen herum? Aha: Orchideen-Pollinien am Rüssel. Die stören; so kann der Falter den Rüssel nicht mehr vollständig zusammenrollen. Deshalb versucht er, die lästigen Dinger mit den Vorderbeinen abzustreifen. Aber vergeblich.

Die Epiphysen (Pfeil) dienen vor allem dazu, die Fühler zu säubern, aber man kann sie natürlich auch für den Rüssel benutzen. In diesem Fall bleibt das aber ohne Erfolg. Die Pollinien sitzen dafür zu fest und zu nah an der Rüsselbasis.

Auch das Durchziehen des Rüssels zwischen Femur und Tibia nützt nichts. Die Dinger kleben ekelhaft fest.

Die Pollinien im Detail. Sie gehören zu einer Pyramidenorchis (Anacamptis pyramidalis). Gewöhnlich dürften die Pollinien am Kopf des Insekts landen, aber Schmetterlinge haben oft einen langen Saugrüssel und da erwischt es auch mal den Rüssel statt den Kopf. Der Orchidee kann das egal sein, solange der Falter nur weiter Blütenbesuch treiben kann. Und der Falter wird zwar behindert, aber nicht so stark, daß seine Lebensfähigkeit eingeschränkt wäre. Es nervt ihn halt.


Und hier ist auch mal wieder Putzen fällig: Ein Schwammspinnermännchen (Lymantria dispar) hat im Trubel am Leuchttuch oder beim Verbringen ins Beobachtungsgläschen viele Schuppen eingefangen. Einige werden beim nächsten Flug verlorengehen, für die übrigen ist Putzen angesagt.


Noch mehr Augenwischerei
Auch andere Insekten müssen ihre Augen und Fühler sauber halten. Diese nachtaktive Ameisenjungfer (Neuroptera, Myrmeleontidae) putzt ihre großen, halbkugeligen Augen mit einer Reihe langer Haare an der Vordertibia. Hier ist gerade das linke Auge an der Reihe.


Danksagung
Mein Dank gilt Günther Blaich für die Bestimmung der Orchideen-Pollinien und Horst und Ulrike Aspöck für die Gelegenheit, die nordafrikanische Myrmeleontide zu fotografieren.
Dieser Beitrag wurde unter Allgemein, Lepidoptera, Schmetterlingskunde für Anfänger abgelegt und mit , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Eine Antwort zu Schmetterlingskunde für Anfänger – Körperpflege bei Schmetterlingen

  1. Uli Bastian schreibt:

    mein Gott, ist das wieder schoen, wie immer bei Axel.
    Gruss, Uli

    Like

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..