Schmetterlingskunde für Anfänger  – einfache Fototips

… und eines weiß ich gewiß: durch die Naturfotografie erfährt
man alles über das Leben wie nirgendwo sonst auf der Welt.
Fritz Pölking (1936-2007)

Wenn es um die Bestimmung von Faltern geht, ist ein Belegexemplar einer nicht-materiellen Dokumentation grundsätzlich vorzuziehen. Wer nicht sammeln kann (oder nicht will) und stattdessen nur fotografiert, sollte wenigstens einige Grundregeln befolgen, damit die Fotos die größtmögliche Chance auf einen Bestimmungserfolg haben. Natürlich gibt es Leute, die Schmetterlinge ausschließlich in ästhetisch-künstlerischer Absicht fotografieren und denen egal ist, wie die Arten heißen. Wer aber eine Chance auf eine gesicherte Artbestimmung haben möchte, zum Beispiel damit seine Beobachtungen der Schmetterlingsfaunistik oder dem Naturschutz zugute kommen können, der sollte zusätzlich noch die im folgenden Text erläuterten Standard-Fotos machen [1].

Grundlegendes

Heutzutage ist es kein Kostenfaktor mehr, eine größere Anzahl von Fotos zu machen. Also gilt: wenn immer es möglich ist, genügend Fotos machen, nicht nur damit eins davon scharf ist ;-), sondern vor allem, um verschiedene Ansichten von Raupe oder Falter zu haben [2]. Bei Raupen ist besonders wichtig, ein Foto von der Seite zu machen, auf dem man die Anzahl der Bauchbeinpaare erkennen kann; das ist ein wichtiges Merkmal für die Familienzuordnung.

Beim Einstellen von Fotos in Bestimmungsforen sollten die Bilder

  • so beschnitten sein, daß sie das Motiv möglichst formatfüllend zeigen. Fotos, auf denen irgendwo in den Weiten des Bildfelds ein winziges Tierlein sitzt, das sich beim Vergrößern in Pixel auflöst, helfen niemandem. (Zusätzliche Bilder vom Fundort – insbesondere vom Larvalhabitat oder der Nahrungspflanze – sind natürlich willkommen.)
  • farbkorrigiert sein, falls sie mit künstlichen Lichtquellen aufgenommen wurden.
  • belichtungskorrigiert sein, falls sie deutlich unter- oder überbelichtet sind.

Wer nicht das technische Know-how oder die nötige Software dafür besitzt, sollte sich von Freunden und Bekannten dabei helfen lassen.

Zuallererst

Wenn man einen Falter bzw. eine Raupe nicht kennt, sollte man als Erstes ein paar „quick-and-dirty“-Fotos machen, also erstmal draufhalten, solange der Falter in Sichtweite ist und egal wie er sitzt. Dann kann man sich allmählich annähern und bessere Aufnahmen – im günstigsten Fall unter den nachfolgend beschriebenen Gesichtspunkten – machen.
Wenn man die Art schon erkannt hat und deshalb kein Bestimmungsfoto braucht, kann man gleich zu den qualitätvollen Aufnahmen übergehen.

Blickwinkel

Egal mit welcher Kameraausrüstung oder mit welchem Smartphone man fotografiert; es gibt eine grundsätzliche Regel, gegen die viele Amateurknipser verstoßen und dadurch die Bestimmung ihrer Fotomotive unnötig schwierig, manchmal sogar unmöglich machen.
Das Zauberwort heißt Blickwinkel oder Perspektive. Um die Flügelform und die Zeichnung (z. B. den Verlauf der Querlinien) richtig beurteilen zu können, sollte ein Foto immer orthogonal (= rechtwinklig) zur Flügelfläche gemacht werden. Was heißt das?

  • Wenn der Falter die Flügel flach in einer Ebene hält, fotografieren Sie das Tier von oben, das heißt senkrecht auf den Thorax und die Flügel. Achtung: Bei kurzen Entfernungen und kurzen Brennweiten (Smartphones!) kann es schon bei geringer Verkantung zu unerwünschten Verzerrungen kommen, die die Beurteilung der Flügelproportionen erschweren!
  • Wenn der (Nacht-)Falter die Flügel stark dachförmig hält, also in einem Winkel über den Körper gelegt, fotografieren Sie am besten schräg von der Seite, senkrecht auf einen der Vorderflügel.

Grün = günstige Aufnahmewinkel
Rot = ungünstiger Aufnahmewinkel

Links: In der Draufsicht erscheinen bei dieser Sitzhaltung die Vorderflügel verzerrt und daher zu schmal. Erst im rechten Bild – senkrecht auf den einen Flügel fotografiert – ist die Flügelform unverzerrt (flächentreu) erkennbar (Atethmia centrago, Noctuidae).

  • Achtung: Oft überdeckt einer der Vorderflügel einen Teil des anderen. In diesem Fall ist es wichtig, von derjenigen Seite aus zu fotografieren, von der man einen kompletten Flügel sieht!

Links: Ungünstig: Der zur Kamera hin liegende Flügel wird teilweise überdeckt.
Rechts: Günstig. Jetzt ist der ganze Flügel zu erkennen (Orthosia populeti, Noctuidae).

Links: Sehr ungünstig: Der überlappende Hinterrand des rechten Vorderflügels überdeckt wichtige Teile des linken.
Rechts: Nach einigem Aufscheuchen und Hinterherlaufen läßt sich der Falter von der günstigen Seite ablichten und man sieht (fast) den kompletten Flügel. Genaugenommen muß man das überlappende Stück vom linken Bild auf dem rechten gedanklich ergänzen (Chesias legatella, Geometridae).

Manche Falter halten die Flügel in der Ruhestellung extrem steil, beispielsweise das Silberspinnerchen Cilix glaucata. Links die Rückenansicht. Um den Flügel unverzerrt zu sehen, fotografiert man hier natürlich ohnehin intuitiv ganz von der Seite her (rechts). In Mitteleuropa reicht zwar die Rückenansicht, weil es bei uns nur eine Cilix-Art gibt, aber in Südeuropa kommen weitere Arten vor, die sich in der Flügelzeichnung unterscheiden.

  • Wenn der Falter die Flügel halb erhoben hält (Tagfalter, manche Spanner), fotografieren Sie ebenfalls schräg von der Seite, so daß man eine der beiden Flügelhälften unverzerrt sieht (Pseudopanthera macularia, Geometridae).

  • Wenn der Falter die Flügel nach Tagfalterart über dem Körper zusammengelegt hält (Tagfalter, Nagelfleck, manche Spanner), fotografieren Sie von der Seite, so daß alle Flügelteile im Schärfenbereich sind (Aglia tau, Saturniidae).

  • Zusätzliche Schrägansichten von vorn, also vom Kopfende, in stärkerer Vergrößerung (Lupenobjektiv) können Details wie Fühler, Palpen, die Bedornung der Beine oder die Haarschöpfe auf dem Thorax hervorheben, die für die Bestimmung hilfreich sein können.

Natürlich lassen sich diese Kriterien nicht erfüllen, wenn der Falter sich bewegt oder außer Reichweite sitzt oder im Pflanzengewirr der Krautschicht klettert. Aber wenn man nahe genug herankommt und freie Sicht hat, dann gibt es für den Fotografen keine Entschuldigung, ihn nicht sorgfältig und vollständig zu dokumentieren. Wer nur einen Schnappschuß im Vorübergehen schießt, ohne sich um das Motiv selbst zu bekümmern, muß sich damit abfinden, daß man solche Fotos nicht in allen Fällen bestimmen kann.

Nach den ersten Fotos

Hat man die ersten Bilder gemacht, gibt es in manchen Fällen noch mehr Optionen, die man bedenken sollte. Manche Nachtfalter, besonders Eulen und Bären, haben bunte, farbige Hinterflügel, die man beim ruhenden Falter nicht sieht, die aber eine große Erleichterung für die Bestimmung wären. Da bietet es sich an, wenn alle nötigen Fotos gemacht sind, mal unter die Vorderflügel zu schauen, indem man sie mit einen Grashalm oder etwas ähnlichem vorsichtig anhebt. Fliegt der Falter dann sofort weg, kann man wenigstens einen Blick darauf erhaschen; manchmal bleibt er sitzen und man kann vielleicht sogar Fotos machen.

Ein typisches Beispiel für zwei häufige Arten, die nicht nahe verwandt sind, aber für den Anfänger wegen der beim ruhenden Falter allein sichtbaren Vorderflügel-Oberseite oft schwer bestimmbar sind: links eine Hoplodrina octogenaria (Gelbbraune Staubeule) und rechts eine Noctua comes (Breitflügelige Bandeule). Die Hoplodrina hat gelblichbraune Hinterflügel, die Noctua auffallend gelb-schwarz kontrastierende Hinterflügel. Wer solche Falter ablichtet, ohne nach den Hinterflügeln zu schauen, verschenkt eine Bestimmungsmöglichkeit.

Mit viel Glück und viel Geduld bekommt man auch bei den Ordensbandeulen die Hinterflügel lange genug zu sehen, daß es für ein Foto reicht. Das Gelbe Ordensband (Catocala fulminea) läßt sich zwar problemlos schon anhand der Vorderflügel erkennen (links), aber ich wollte endlich mal ein Hinterflügelfoto haben. Eine Viertelstunde lang habe ich den Falter immer wieder gekitzelt und verfolgt, bis er mir vor dem Wegfliegen ein 5-Sekunden-Zeitfenster für ein Foto geboten hat (rechts).

Beleuchtung

Optimal ist ein diffuses natürliches Licht, z. B. bei bedecktem Himmel. Ungünstig ist direktes Sonnenlicht, das harte Kontraste und tiefe Schatten erzeugt; hier empfiehlt es sich, den Falter entweder mit Beschattung zu fotografieren (halbtransparente Faltreflektoren sind dabei hilfreich, notfalls der eigene Schatten), sofern er das mit sich machen läßt, oder einen Aufhellblitz zu verwenden.

Ein im Sonnenlicht sitzendes Weibchen von Trichiura crataegi (Weißdornspinner, Lasiocampidae) (links). Diese Beleuchtung ergibt so starke Kontraste, daß auch die digitale Nachbearbeitung so ein Bild nicht retten kann; allenfalls sieht der Falter dann merkwürdig unnatürlich aus. Nachdem ich den Zweig etwas zur Seite gebogen habe, sitzt der Falter im Schatten und läßt seine Zeichnung besser erkennen (rechts). Die Schattenzonen haben oft einen Stich ins Bläuliche, was man bei der Nachbearbeitung bereinigen kann.

Eine frisch geschlüpfte Marasmarcha lunaedactyla (Pterophoridae) an ihrer Raupennahrungspflanze Ononis im Freiland. Links im mittäglichen Sonnenschein, rechts mit einem halbtransparenten Reflektor beschattet. Auf dem rechten Bild sind die Zeichnungen, insbesondere am Körper, besser zu erkennen. Wenn Ihnen so ein Bild zu flau erscheint, können Sie den Kontrast höher einstellen.

Die Schatten von Halmen oder Blättern, die auf die Flügel fallen, können dunkle Querlinien oder andere Zeichnungselemente suggerieren und dem Falter auf den ersten Blick ein merkwürdiges Aussehen verleihen. Hier ein Plebejus argyrognomon-Weibchen (Kronwickenbläuling) mit dem Schatten eines Fiederblatts, das dunkle Flecken am Vorderrand des linken Vorderflügels vortäuscht. Ein ähnliches Artefakt sieht man auf dem oben gezeigten Bild des Nagelflecks. Als Nachweisbelege zwar brauchbar sind solche Fotos für Veröffentlichungen eher unpassend.

Sitzt der Falter ruhig auf einem Untergrund, der manipuliert, das heißt der in die Hand genommen, gedreht oder gekippt werden kann (Blatt, Stein), empfiehlt es sich, ihn so zu orientieren, daß das Licht von oben auf den Thorax oder von der Kopfseite (von vorn) einfällt. Von hinten einfallendes (auf das Hinterleibsende gerichtetes) Licht wirkt oft sehr unnatürlich, es sei denn der Falter sitzt normalerweise in dieser Position (z. B. ruhen die Nolidae und manche Catocalen gern kopfabwärts am Baumstamm). Das gilt auch für geblitzte Fotos, wenn man die Möglichkeit hat, den Blitz oder die Lampe in die gewünschte Position zu bringen oder den Falter mitsamt seinem Untergrund zu bewegen.

Technisches

Farbstich vermeiden durch Weißabgleich

Wer kameraseitig die Möglichkeit zu einem Weißabgleich hat, sollte diesen in allen schwierigen Beleuchtungssituationen – also etwa nachts bei künstlichem Licht – unbedingt nutzen. Notfalls kann man unter gleicher Beleuchtung eine Weißkarte oder eine normale Graukarte fotografieren, damit der Weißabgleich später in einem Bildbearbeitungsprogramm durchgeführt werden kann. Wenn Sie mit den fototechnischen Begriffen Graukarte und Weißkarte nichts anfangen können, benutzen Sie irgendein weißes Blatt Papier.

Reflexionen vermeiden durch diffuses, weiches Licht

Die ungünstigste Variante des Blitzens ist die mit einem Einzelblitz in der Bildachse, etwa mit einem fest eingebauten Kamerablitz. Derartige Blitze verursachen auch die sogenannten „roten Augen“ bei Portraitfotos. Ich weiß nicht warum solche Kameras überhaupt hergestellt werden; offenbar spekulieren die Hersteller auf die Unerfahrenheit von Amateurknipsern. Dabei sind unerwünschte Reflexionen (Glanz, Spiegelungen) durch die Flügelschuppen vorprogrammiert; das kann so weit gehen, daß von der Flügelzeichnung kaum noch etwas zu erkennen ist. Diese Probleme können bei jedem unidirektionalen Einzelblitz auftreten. Hier sollte man jede Möglichkeit nutzen, eine handelsübliche Softbox oder Streuscheibe zu verwenden oder eine der preisgünstigen selbstgemachten Alternativen, etwa Konstruktionen aus Butterbrotpapier oder halbtransparenter Folie einzusetzen, um das Licht weicher zu machen („abzusoften“) und zu streuen. (Die oft empfohlenen Joghurtbecher mit abgeschnittenem Boden können problematisch sein, weil ihr Material oft keinen brauchbaren Weißabgleich zuläßt.)

Lichtführung

Wer die Möglichkeit hat, den Blitz von der Kamera zu trennen oder einen Ringblitz oder mehrere Blitzgeräte (Zangenblitz oder Blitz mit Slave(s)) zu verwenden, kann sowohl Reflexionen als auch störende Schlagschatten vermeiden und darüber hinaus bei einiger Erfahrung attraktive Beleuchtungssituationen zaubern.

Ein nordafrikanischer Holz-bohrer (Eremocossus vaulogeri), oben nur mit einem Ringblitz beleuchtet, der zwar eine gute, aber auch sehr „flache“ Aus-leuchtung ergibt. Der Kopf- und Brustteil droht hier, im dunklen Hintergrund „abzusaufen“. Beim unteren Bild wurde zusätzlich ein kleiner Slave von der linken Seite eingesetzt, der die Kopf- und Schulterpartie und die Fühler beleuchtet und dadurch die Dreidimensionalität des Falters besser herausarbeitet. Ein Slave (= Sklave) ist ein mit einem Sensor versehener Zusatzblitz, der auslöst, wenn er vom Hauptblitzgerät (Master) angeblitzt wird und der sehr gut für Gegen- oder Seitenlicht-effekte geeignet ist.

Diese Diachrysia chrysitis (Messingeule) saß auf Stroh-häcksel, was einen sehr unruhigen Hintergrund ergab. Mit dem Ringlicht alleine (oben) hebt sich der Falter deshalb nicht so gut von der Umgebung ab.
Als Notlösung wurde eine einfache Taschenlampe in kurzem Abstand hinter dem Falter auf den Boden gelegt (unten), wodurch die Umrisse klarer zu erkennen sind und insbesondere die Form der Haarbüschel auf Thorax und Abdomen erst richtig deutlich wird. Das Gegenlicht ist allerdings ein wenig zu stark ausgefallen; ich hätte die Lampe weiter weg plazieren sollen.

Bei flächigen Motiven wie etwa Spannern, die mit ausgebreiteten Flügeln auf Rinde oder Fels sitzen, reicht ein Ringblitz meistens aus. Aber auch da kann es hilfreich sein, das Tier zusätzlich von der Kopfseite her zu beleuchten, um den Umriß besser herauszuarbeiten.

Wie oben erwähnt hilft ein Ringblitz bzw. Ringlicht, den störenden Glanz zu vermeiden, der bei unidirektionalen Blitzen durch reflektierende Flügelschuppen entsteht. Wenn es sich aber um einen Ringblitz mit zwei Blitzröhren handelt wie bei meinem alten Canon MR 14, bei dem zwei größere Lücken zwischen den beiden Röhren bestehen (in diesen Lücken befinden sich die LEDs, die als Einstellicht dienen), dann kann die Ausrichtung der Röhren einen deutlichen Einfluß auf das Bildergebnis haben.

Das sieht man am Beispiel dieser Amphipyra tetra (unten) die bis auf kleine weiße Fleckchen am Vorderrand der Vorderflügel keinerlei Zeichnung besitzt. aber sehr stark glänzen kann. Hier macht es einen Unterschied, von welcher Seite her die Blitzröhren auf den Falter gerichtet werden (Man beachte, wie unterschiedlich vor allem die Fransen auf die Lichtführung reagieren). Bei einem Zangenblitz wäre das Ergebnis ähnlich. Nur ein vollständig ringförmiger Blitz (so einen hatte ich damals nicht zur Verfügung) sollte eine Art Kombination aus beiden Ansichten ergeben und den Glanz weitestgehend vermeiden können.

Einen großen Einfluß auf die Belichtung hat auch das Meßfeld. (Hier müssen Sie nur weiterlesen, wenn Sie an Ihrer Kamera verschiedene Meßfelder einstellen können.) Mit einer Integralmessung, die das ganze Bildfeld erfaßt und daraus einen Mittelwert berechnet, können Motive, die deutlich heller oder dunkler als der Untergrund / Hintergrund sind, unter- oder überbelichtet herauskommen. Eine Spotmessung, die nur einen kleinen Bereich im Bildzentrum ausmißt, kann bei solchen Helligkeitsunterschieden vorteilhaft sein – sofern sich Ihr Motiv in der Bildmitte befindet. Je nach Kamera gibt es noch andere, manchmal sehr ausgeklügelte Meßbereiche, die man ruhig alle mal durchprobieren sollte. Ausschlaggebend ist dann Ihre Erfahrung in bestimmten Motivsituationen. Meistens sieht man ja gleich beim Kontrollieren des Bildes auf dem Kameramonitor – die Profi-Fotografen nennen das „Chimpen“ – ob ein Bild deutlich danebengegangen ist und kann es notfalls wiederholen. Und schließlich lassen sich kleinere Belichtungsfehler auch noch bei der Nachbearbeitung bereinigen.

Oben: Die graue Form von Noctua pronuba (Hausmutter; derselbe Falter), links auf einem mäßig hellen und dazu noch reflektierenden Hintergrund, rechts auf dunklem Hintergrund.  Beide Aufnahmen mit mittenbetonter Integralmessung aufgenommen. Links ist der Falter etwas zu dunkel, rechts etwas zu hell. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. So geringe Abweichungen wie hier lassen sich korrigieren, aber ein dunkler Falter auf einer blendendweißen Wand, der womöglich ganz klein in der Mitte eines Fotos hockt,  kann völlig unkenntlich werden.

Ästhetik

Fotografiert man nur, um Falter zu bestimmen und verwendet die Bilder sonst nicht weiter, dann kann einem der Untergrund und das Drumherum egal sein. Falter an unnatürlichen Stellen wie Hauswänden, Fenstern, Straßen, beim Lichtfang auf dem Leuchttuch oder auf Gaze oder auf weißem Papier sitzend usw. sind für solche Zwecke brauchbar und finden sich in ungeheuren Mengen im Internet. Schön sind sie freilich nicht. Falter und Raupen wirken nur im natürlichen Umfeld, wobei man sehr unterschiedlicher Meinung sein kann, was als „natürlich“ zu betrachten ist.
Für manche ist eine möglichst ursprüngliche Landschaft und Vegetation das Optimum für Fotos – so als ob es den Menschen nicht gäbe, was in der vom Menschen geschaffenen Umwelt Mitteleuropas schwer zu verwirklichen ist. Andere akzeptieren den Menschen und seine Werke als Teile der belebten Natur und stören sich nicht an Fotos von Raupen, die übers Straßenpflaster laufen oder von Faltern, die am Küchenfenstervorhang sitzen. Ein Foto eines am Kühlergrill geplätteten Falters ist demnach so „natürlich“ wie das eines Falters, der an einer vom Menschen eingeführten, exotischen Gartenpflanze (z.B. Buddleia) rüsselt. Und am Gartenpflanzen-Beispiel zeigt sich schon die Schwierigkeit der Abgrenzung. Was der eine noch akzeptiert, ist für den anderen schon Anathema.

Manche Leute möchten sich Bilder ausdrucken und an die Wand hängen, auf einer Webseite zeigen oder in Büchern veröffentlichen. Als wir die Bilder für die Buchreihe „Die Schmetterlinge Baden-Württem-bergs“ auswählten, warfen wir zuallererst die auf offensichtlich künstlichem Untergrund sitzenden Falter und Raupen raus – es sei denn es war kein anderes Bild vorhanden oder man wollte zeigen, daß manche Falter auch an Gummireifen oder an schweißnassen Wanderern rüsseln. Das sind dann schon wieder interessante Fotosituationen, die es verdient haben, dokumentiert zu werden.

Bild rechts: Durstige Pseudopanthera macularia-Falter im Schwarzwald. Foto E. J. Tröger in Ebert (2003: 380).

Zweifellos sind frische, unbeschädigte Falter auf Fotos attraktiver als abgeflogene, verblichene, beschädigte Exemplare. In dieser Hinsicht ähneln die Ästheten unter den Fotografen den klassischen Schmetterlingssammlern, denen es um möglichst „schöne“ Tiere geht. Und wenn man die Falter geschickt plaziert oder das Glück hat, sie an ihren natürlichen Ruheplätzen zu finden, kann man Phänomene wie Tarnung und Anpassung dokumentieren.

Meine Erfahrungen sind:

  • Fotos von Falter/Raupe auf vom Menschen hergestelltem, künstlichem Substrat wie Hauswand, Fensterrahmen, Karosserieblech, Teppich, Laternenpfahl, Tischplatte, Leuchttuch, Sammelschachtel und ähnlichem wirken auf die meisten Betrachter unästhetisch.
  • Fotos von Falter/Raupe auf zwar vom Menschen bearbeitetem, aber immerhin organischem oder geologischem Substrat wie Holzbank, Zaunpfosten, Steinbruchfelsen, Straßenrandkies, Bretterzaun und ähnlichem sind für die meisten Betrachter akzeptabel.
  • Fotos von Falter/Raupe auf natürlichem Untergrund wie Pflanzen, Felsen, Baumrinde – im Idealfall im natürlichen Lebensraum oder an selbstgewählten Ruheplätzen – wirken auf die meisten Betrachter im positiven Sinn und enthalten zudem oft wertvolle biologische Information.

Ungünstige Zeitpunkte und Situationen vermeiden

Zum erfolgreichen Fotografieren gehört auch ein klein wenig Beobachtungsgabe und gesunder Menschenverstand. Immer wieder erscheinen in Internetforen und in den sozialen Medien Fotos von frisch geschlüpften Faltern mit noch unentwickelten Flügeln. Nach dem Fotografieren scheinen die ahnungslosen Fotografierenden einfach weggegangen zu sein. Hätten sie ein paar Minuten gewartet, hätten sie nicht nur das Entfalten der Flügel beobachten sondern auch den fertigen Falter fotografieren können, der dann weniger Bestimmungsprobleme bereitet hätte.
Unzählig sind auch die Fotos von Raupen in Häutungsruhe, die vor den Häutungen eine schwächer ausgeprägte Zeichnung und Färbung zeigen und dadurch oft nicht bestimmbar sind. Eigentlich sollte die deutlich abgesetzte Kopfkapsel, hinter der sich schon die neue, größere bildet, jedem biologisch gebildeten Menschen sagen, daß da eine Häutung ansteht. Warten hilft hier allerdings nicht, denn bis zur Häutung kann es noch Stunden oder Tage dauern. Wer hier unbedingt eine Bestimmung braucht, nimmt die Raupe mit und fotografiert sie nach der Häutung. Dann kann man sie freilassen oder weiterzüchten, je nachdem.

Oben: Herbstraupen von Noctua pronuba (Hausmutter), Geschwister aus demselben Eigelege. Die Raupe rechts ist im 3. Stadium und kurz vor der Häutung, mit blasser Färbung und der typischen gedehnten Haut im Nacken hinter der alten Kopfkapsel. In diesem Zustand sitzt sie nahezu unbeweglich und kann auch ihre Freßwerkzeuge nicht mehr benutzen. Links eine frisch gehäutete Raupe im 4. Stadium, die sich bereits wieder der Nahrungsaufnahme widmet. Die Färbungsunterschiede sind in diesem Fall nicht ausschließlich häutungsbedingt, denn die Noctua-pronuba-Raupe wird von Stadium zu Stadium dunkler mit deutlicherer Zeichnung.

Fazit

Es gibt zu diesem Thema noch sehr viel mehr zu sagen, besonders wenn leistungsstarke Kameras und spezifische Aufnahmesituationen ins Spiel kommen. Aber dieser Beitrag soll nur eine Anregung für die schmetterlingsfotografischen Anfänger sein. Wer also die Möglichkeit hat, die obigen Hinweise zu beachten – das heißt, sofern es die Falter, die Raupen und die Aufnahmeverhältnisse zulassen – der kann den Experten die Bestimmung erleichtern und vielleicht auch die eigene Fotosammlung aufwerten.

Und zum Schluß noch eine ganz wichtige Bitte: Stellen Sie in Bestimmungsforen nicht zu viele Bilder desselben Tiers aus derselben Perspektive ein. Wenn Sie eine Serie von Bildern gemacht haben, die alle mehr oder weniger die gleiche Ansicht des Motifs zeigen, suchen Sie nur das beste (schärfste) davon aus. Es nervt die Experten und Expertinnen, Bilder durchblättern zu müssen, die nahezu identisch sind. Man hat dann – das kann ich aus eigener Erfahrung sagen – oft keine Lust, solche Anfragen zu beantworten. Versuchen Sie, Bilder von verschiedenen Seiten zu machen, das ist viel mehr wert als 5 fast identische Fotos der Oberseite eines Falters oder der Rückenansicht einer Raupe.

P.S.
Höflichkeit.
Als ich mich in Fußnote 1 sehr rüde über manche Angehörige der heutigen Knipsergeneration ausgelassen habe, bin ich natürlich davon ausgegangen, daß Sie nicht zu diesen gedankenlosen Zombie-Fotografen und -Fotografinnen gehören.


[1] Seien wir mal ehrlich. Das, was an Insektenfotos im Internet verbreitet und in den diversen Bestimmungsportalen hochgeladen wird, ist fotografisch gesehen zu 80 Prozent einfach Müll. Das ist kein Wunder, weil die meisten Leute, die solche Fotos fabrizieren, entweder keine Anhnung davon haben, auf welche Merkmale es bei Schmetterlingen und Raupen ankommt, oder weil sie zum Teil mit unzulänglichen Geräten arbeiten, z.B. mit Billigknipsen oder Handies, oder – falls sie doch bessere Kameras oder Smartphones besitzen – weil sie keine Ahnung von grundlegender Fototechnik haben und ihre Geräte nicht beherrschen. Das alles ist auch völlig in Ordnung, solange solche Leute ihre Fotos nur zum persönlichen Gebrauch machen. Sobald sie aber anderen Menschen – den Experten nämlich – zumuten, die auf ihren Fotos abgebildeten Motive zu bestimmen, sieht die Sache anders aus. Für diesen Zweck ist es nämlich entscheidend, WIE man Falter oder Raupen fotografiert. (Wenn man das weiß, kann man auch mit „Billigknipsen“ und etwas Kreativität tolle Fotos machen.)
[2] Und heute kann man die Qualität eines Bilds sofort nach der Aufnahme kontrollieren und nötigenfalls weitere Aufnahmen machen. In analogen Zeiten war beides unmöglich: Filmmaterial war relativ teuer, so daß man sparsam damit umgehen mußte und wie ein Foto geworden war, sah man erst, wenn der Film entwickelt war. Die Falterfotografen – und überhaupt alle irgendwie spezialisierten Fotografen – des 20. Jahrhunderts waren deshalb deutlich kompetenter als heutige Knipser und beherrschten ihre Ausrüstung, ihr Filmmaterial und die physikalischen Grundlagen der Fotografie besser, weil sie das Gelingen ihrer Fotos im voraus sichern mußten.
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